01.05.2000: 勉強 は 大変!!!(Benkyou ha taihen!!!)

Seit meinem letzten Eintrag hier hat sich bei der Y so einiges getan. Das betrifft – wie sollte es anders sein – vor allem das Lernpensum. Dazu muss ich allerdings ein wenig ausholen.

Im Kikuchi Park (Offizieller Name mittlerweile: Aso-Kujū-Nationalpark)

In Japan gibt es jedes Jahr spezielle Prüfungen der Art „Japanisch für Ausländer“. Diese Prüfungen werden in 4 Grade unterteilt. Der 1. Grad (一級, ikkyuu) ist der höchste, der 4. Grad (4級, yonkyuu) der unterste. Diejenigen, die an einer japanischen Universität als regulärer Student studieren möchten, müssen – je nach Uni – den 2. Grad (二級, nikyuu) oder den 1. Grad vorweisen können. Während bei Grad 4 – Grad 2 noch mindestens 60% erreicht werden müssen, sind es beim ersten Grad sogar mindestens 70%. Darüber hinaus ist er natürlich wieder ein gutes Stück anspruchsvoller als der Test für den 2. Grad. Leute, die den ikkyuu erfolgreich bestanden haben, können sich in der Regel gewählter ausdrücken, als so mancher Japaner…

Und genau für diesen 1. Grad werden wir bei der Y vorbereitet. Das ist umso beeindruckender, da das Ganze innerhalb von 14 Monaten geschieht – vom Anfänger zum Übersetzer…

Lageplan des Kikuchi-Parks

Leider ist es mit Vokabeln und Grammatik nicht abgetan. Wie ihr alle wisst, fanden es die Japaner damals ganz toll, sich bei den Chinesen zu bedienen, als es daran ging, wie denn die japanische Schrift aussehen sollte. Wie viele unterschiedliche Kanji es heute im täglichen Gebrauch gibt, kann ich jetzt nicht sagen. Was ich aber sagen kann, ist das jetzt folgende: Das japanische Unterrichtsministerium hat schon vor langem 2000 bestimmte Kanji empfohlen. Im Idealfall werden ausschließlich diese Kanji in Zeitungen, Büchern etc. benutzt. Vielleicht denkt ihr jetzt: „OK, 2000 ist zwar ne ganze Menge, aber in einem Jahr…“. Aus Erfahrung kann ich euch sagen, dass das so einfach nicht ist. Sogar die Japaner lernen diese Kanji über Jahre verteilt in der Schule – pro Jahr im Schnitt 200 Kanji. Aber da endet die Chose ja noch nicht einmal: In der Regel bestehen die Wörter aus mehreren Kanji, und da werden die Kanji anders gelesen, als wenn man sie einzeln lesen würde. In diesem Text zum Beispiel:

„ikkyuu“ besteht aus der Zahl „1“ (一, ichi) und der Vokabel für „Klasse, Grad, Stufe“ (級, kyuu). Zusammen wird das aber „ikkyuu“ gelesen. Das ist noch eines der ganz einfachen Beispiele, weil es gerade im Zusammenspiel Zahl + Substantiv bestimmte Regeln gibt, die einem da das Leben einfacher machen. (Das Ganze wird aber wieder durch die Tatsache egalisiert, dass die Japaner zwischen Menschen, großen Tieren, kleinen Tieren, Dingen, Autos, Büchern, kleinen runden kugelförmigen Gegenständen, dünnen flachen Gegenständen etc. unterscheiden und für diese andere Zahlen benutzen – sag mir mal einer, wo kleine Tiere aufhören und große Tiere beginnen!)

Das Wort „benkyou“ in der Überschrift heißt „Studium, das Lernen“ und besteht aus zwei Kanji:

勉 Ben – Anstrengung, harte Arbeit
強 Kyou – stark

Das Kanji, das für „Kyou“ benutzt wird, kann in Verbindung mit anderen Kanji aber auch noch als „Gou“ gelesen werden (wie in „強情 Goujou“ – Starrsinn). Außerdem hat das Kanji, wenn es alleine steht, noch unter anderem die folgenden Bedeutungen (die dann gültige Lesung steht in der Klammer):

stark (強い tsuyoi)
stärker werden (強まる tsuyomaru)
zwingen (強いる shiiru)

Im Durchschnitt hat jedes Kanji so um 2-3 verschiedene Lesungen.

Vielleicht bekommt ihr so langsam ein Gefühl dafür, dass es doch nicht soo einfach ist. Aus den anfangs 2000 Kanji sind jetzt schon 4000-6000 verschiedene Lesungen geworden. Natürlich gibt es auch Regeln, die das Lesen ein wenig einfacher machen, aber das würde hier zu weit führen. Trotzdem wird es nicht wesentlich einfacher, denn solche positiven Dinge werden durch andere immer wieder aufgehoben. Denn es gibt, wie mir scheint, unzählige Ausnahmen von diesen Regeln. Idealer Prüfungsstoff also… Und wenn man ein Kanji lesen kann, bedeutet das noch lange nicht, dass man es auch schreiben könnte. Gottseidank geht es den Japanern aber oft genauso.

Aber kommen wir so langsam zur Sache: Im August wird die Klasse, in der ich mich gerade befinde, noch einmal nach Leistungsklassen geteilt. Die besseren werden im Dezember den ikkyuu schreiben (und wohl auch bestehen), die schlechteren immerhin noch den nikyuu. Zwar bin ich ja schon im Juli nicht mehr anwesend (aber Lance, der arme Kerl, bleibt), aber muss dennoch den Drill – anders kann ich es nicht ausdrücken – mitmachen. Das Tempo wurde bereits gegen Ende des letzten Kurses gesteigert: Auf etwa 3-4 Kanjilektionen pro Woche (lesen und schreiben), was so ungefähr 60-70 Kanji ausmachte. Diese Übungen wurden jetzt auf 5 pro Woche erhöht (ca. 80-85 Kanji). Natürlich werden diese Kanji jeden Tag abgeprüft. Alle Noten, alle Hausaufgaben, gehen in die Bewertung ein, die im August zur Neueinstufung führt.

Zusätzlich kamen noch spezielle Übungen dazu, die gezielt auf den ikkyuu vorbereiten sollen. Hier muss man die Kanji „nur“ lesen können, aber dafür sind es auch ausschließlich Ausnahmen. Pro Woche gilt es, zwei dieser Lektionen zu meistern, was – je nach Lektion – nochmal 60-70 Kanji pro Woche macht. Auch diese Kanji werden abgeprüft.

Und als ob das noch nicht genug wäre, kommen einmal die Woche noch spezielle „Lesehilfen“ hinzu. Das sind Blätter, auf denen Kolonnen von Kanji stehen, deren Lesung sich ähnelt oder sogar identisch ist. (Die meinen, das mache es einfacher…) Bisher wurden diese noch nicht abgefragt, aber das kommt noch. Auf meine Frage, bis wann („…gestern?“) diese gelernt sein sollten, wurde mir zu verstehen gegeben, dass es noch eine Weile Zeit habe (eine Woche?), es aber „mochiron“ („selbstverständlich“) besser wäre, dies so schnell wie möglich zu machen. Auf jedem solchen wöchentlichen Blatt stehen >200 Vokabeln (auf dem letzten waren es 220), die aus mindestens 2 Kanji bestehen. Macht also nochmal knapp 400 Kanji pro Woche (?).

Insgesamt macht das also ein Pensum von >500 Kanji pro Woche. Natürlich kommen da viele Kanji doppelt und dreifach vor, aber die Lesungen sind fast immer unterschiedlich. Das Ziel ist, ein Gefühl zu entwickeln, wann man welche Lesung benutzt. Ist ja auch ganz OK, aber gleichzeitig eben ganz schön deftig…

Das alles würde ich ja noch ertragen (denn es macht auch irgendwie Spaß), wenn man nicht hin und wieder Kommentare ertragen müsste, die einen den Hals anschwellen lassen. Nachdem wir das letzte dieser 400-Kanji-Blaetter ausgeteilt bekamen, bat uns die Lehrerin, diese jetzt reihum vorzulesen. Wohlgemerkt, die Lesung stand nicht dabei, und der Zettel wurde just verteilt. Die Chinesen hatten da natürlich Vorteile, aber als ich an der Reihe war, musste ich die Segel strecken. Der einzige Kommentar von der Lehrerin (war wohl zur Aufmunterung gedacht, hat den Empfänger aber nicht erreicht): „Kantan deshou“ (umgangssprachlich in etwa: „Das ist (doch) leicht, wie ich denke.“) Na Klasse. Wäre auch noch nicht ganz schlimm gewesen, wenn nicht das hämische Gelächter von ein paar der Chinesen noch hinterher gekommen wäre. Aber naja, kann mir ja im Prinzip egal sein.

Bis die Tage 1. Mai 2000

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