1991: Interview mit Thomas Engel von Factor 5.
Zusammen mit dem Interview von Boris Schneider habe ich auch noch die Mitschrift von zwei Interviews mit Thomas Engel von Factor 5 gefunden.
Factor 5 – Entwickler-Legenden.
Eines fand Ende 1991 auf der AMIGA’91 in Köln statt, das zweite Interview einige Wochen später in seiner komplett mit Entwicklungssystemen vollgestopften Studentenbude. Ich werde es ebenfalls demnächst auf meiner Homepage veröffentlichen.
Factor 5 genossen in der Zeit zwischen den späten 1980er und frühen 1990er Jahren einen legendären Ruf für ihre überragenden Amiga-Spiele. Ihre wichtigsten Veröffentlichungen zu dieser Zeit (Katakis/ Denaris, R-Type, Turrican) waren technisch, grafisch und in Sachen Spieldesign einfach perfekt, und sie wurden schon fast kultisch in der Amiga-Szene verehrt. Später gingen sie nach Kalifornien, um zusammen mit Lucasfilm unter Anderem die Rogue Squadron Reihe zu entwickeln. Der deutsche Wikipedia-Artikel über Factor 5 gibt leider nicht ansatzweise den Kultstatus und auch die technische Brillanz dieser Firma wieder, der englische ist schon besser.
Auch hier bin ich rückblickend überrascht, wie einfach ich zu meinem Interview gekommen bin – keine vorherige Anfrage, keine Terminvereinbarung… ich bin einfach an den Stand gegangen und hab‘ losgelegt.
Ich habe mich dazu entschlossen, hier das Interview quasi wörtlich wiederzugeben, auch wenn meine Formulierungen mittlerweile sehr merkwürdig in meinen Ohren klingen und einige Antworten stark gekürzt aufgeschrieben wurden. An einigen Stellen habe ich Antworten etwas geändert bzw. erweitert, um die Lesbarkeit zu erhöhen. Am Ende der Seite sind die Scans der Originalmitschrift zu finden. (Hinweis: Alle inhaltlichen Fehler, falls es welche geben sollte, gehen natürlich auf meine Kappe.) Viel Spaß!
Interview mit Thomas Engel von Factor 5 auf der AMIGA’91 in Köln.
Wer seid ihr eigentlich?
Bis jetzt sind wir eine Gruppe von Leuten, die sich zusammengefunden haben, um gute Spiele zu programmieren bzw. Parties zu feiern. Es sind aber Bestrebungen im Gange, uns als Firma selbständig zu machen, aber das sind Zukunftspläne. (Anm.: Ich weiß nicht, wie ich das rückwirkend interpretieren soll, da Factor 5 genau unter diesem Namen zu diesem Zeitpunkt bereits Spiele veröffentlicht hatten.)
Wie viele Mitglieder hat Factor 5?
Wir sind zur Zeit 7 Leute: Thomas (Engel), Julian (Eggebrecht), Holger (Schmidt), Willi (Bäcker), Achim (Moller), Stefan (Tsuparidis), Lutz (Osterkorn).
Wie kam es, dass ihr mit der Spieleprogrammierung angefangen habt?
Nach und nach. Achim, Stefan und Lutz waren schon früher zusammen und waren schon 1987 und 1988 recht bekannt in Programmierkreisen. Nachdem wir viel in Spielhallen herumspielten, kamen wir dann auf die Idee, Katakis zu programmieren. Achim investierte viele Mad Thoughts (Anm.: Insider…) in das Spiel, was sich aber sehr auszahlte. Nachdem das Spiel wegen seiner Ähnlichkeit zu R-Type bekannt wurde, bekamen wir den offiziellen Auftrag, R-Type umzusetzen, was wir auch in 2 Monaten erledigten. Wir standen unter Zeitdruck, daher hätte es technisch besser werden können. Kurz darauf hatte Manfred Trenz Turrican programmiert, konnte es aber nicht [auf den Amiga] umsetzen. Wir erledigten es in ca. 4 Monaten und programmierten auch Turrican 2 in ca. 6 Monaten. Man kann sagen, dass wir uns nach und nach fanden, durch Kontakte in der Szene, durch Freunde oder durch Treffs bei Rainbow Arts.
Ist „Spieleprogrammierer“ Dein offizieller Beruf?
Mein eigentlicher Beruf ist zur Zeit Student der Informatik.
Woran arbeitet Factor 5 gerade?
Wir entwickeln zur Zeit Super Turrican auf dem Super Famicom und Turrican 3 auf dem Mega Drive. Die Programmierung von Super Turrican übernimmt Holger Schmidt.
Welche Entwicklungssysteme nutzt ihr dafür?
Das Entwicklungssystem wurde von uns selbst entwickelt. Die Software existiert schon seit ca. 2 Jahren, aber die Hardware wurde erst kürzlich fertig.
Wer darf eigentlich für das Super Famicom und Mega Drive entwickeln? Braucht man da eine besondere Genehmigung?
Programmieren kann sowohl auf dem Super Famicom, als auch beim Mega Drive jeder. Nur ob er auch produzieren kann… Für das Super Famicom braucht man das Okay von Nintendo, fürs Sega Mega Drive reicht es, die Module von Sega produzieren zu lassen.
Auch welchen Rechnern findet die Entwicklung statt?
Wir benutzen unseren „Pegasus AT“ mit unserem Entwicklungssystem. (Darüber mehr in einem weiteren Artikel.)
Bedient ihr euch bei der Planung neuer Spiele bei anderen Produktionen?
Wir schauen sie uns schon optisch an, aber wir klauen keine Routinen. Wir sind technisch selbständig. Unsere Vorbilder sind z.B. Action-Automaten, Mega Drive Spiele oder allgemein sehr vieles, was aus Japan kommt. Die Japaner sind uns, was das Designen von Spielen angeht, weit voraus.
Hast Du/ habt ihr ein Lieblingsspiel?
Tja, ich würde sagen Super Mario World, und ich glaube, damit auch für ganz Factor 5 sprechen zu können. Und natürlich unsere Spiele. Unsere Spiele sind echt super! Kauft sie, Leute, spielt sie!!!
Wie steht ihr zu Crackern und Raubkopierern?
Ich will es so sagen: Es wäre schön, wenn es sie nicht gäbe.
Wen seht ihr als eure härteste Konkurrenz?
Nun, Kaiko z.B., aber das nur freundschaftlich. Wir verstehen uns recht super, haben ja auch den gleichen Stand wie sie. Dass es mit dem Konkurrenzdenken nicht weit her ist, kann man schon daran sehen, dass Frank [Matzke, Grafiker von Kaiko] für uns die Grafiken von Turrican 3 macht.
Andrew Braybrook macht sehr, sehr schöne Spiele, die auch vom Design her spitze sind. Nur technisch reizen seine Spiele den Amiga nicht aus.
Die Bitmaps [Anm: Bitmap Brothers] haben einen absolut genialen Grafiker, den ich ihnen sofort abkaufen möchte. Ihre Spiele sind auch sehr gut, bloß sollten sie auf dem Amiga entwickeln, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Habt ihr Vorbilder?
Ganz schlicht und einfach: Japan!
Kann man von der Spieleentwicklung leben?
Wenn ich eine Familie hätte, könnte ich sie damit wohl nicht ernähren. Es ist nicht so viel, wie man sich vorstellt. Allgemein: Nicht genug!
Rückblick mit etwas Abstand.
… insbesondere die letzte Aussage überrascht mich heute noch mehr als damals, denn Factor 5 gehörten zu den absoluten Top-Entwicklern mit den bekanntesten Franchises dieser Zeit. Allerdings hatten sie zum Zeitpunkt des Interviews nur auf dem Amiga veröffentlicht und ich hoffe, dass ihnen die Konsolentitel mehr Geld zum Leben eingebracht haben.
Da Thomas Engel zu der Zeit in Kaiserslautern studiert hat und ich in Saarbrücken (ebenfalls Informatik), haben wir kurze Zeit darauf ein zweites Interview in seiner Studentenbude geführt. Dort kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn so ziemlich jeder Quadratmeter war mit Rechnern und Entwicklungssystemen voll gestopft. Dort sah ich auch den Leveleditor von Turrican – eine große Ehre!
Und – ich bekam ohne Probleme die privaten Telefonnummern von Thomas Engel und Julian Eggebrecht! Auch hier wieder: Heute wäre das unvorstellbar!
2 Antworten
[…] Ich hatte bereits geschrieben, wie es vor über 22 Jahren dazu kam, dass ich einige Berühmtheiten der Computerspielszene interviewte. Mit Thomas Engel von Factor 5 hatte ich mich danach noch ein zweites Mal getroffen, um mehr über ihr Entwicklersystem „Pegasus“ zu erfahren. Zu dieser Zeit wohnten wir keine 50 Kilometer entfernt und teilten unser Studien-Hauptfach (Informatik). Mich würde interessieren, ob Thomas Engel sein Studium erfolgreich abgeschlossen oder ob er sich irgendwann ganz der Spieleentwicklung verschrieben hat… […]
[…] Diskettenmagazin „Mc Disk“, für das ich viele Interviews beisteuerte, zum Beispiel mit Factor 5, Boris Schneider und anderen (folgen irgendwann, habe ich bei weiteren Kopierorgien gefunden). Doch […]