19.02.2000: Winter ade!
Schon zwei Wochen ist es her, dass ich euch Geschichten aus dem Land der aufgehenden Sonne kundgetan habe. Freunde, diesem Missestand moechte ich ein Ende bereiten!
Da waere zuerst einmal das ‚Schneefestival‘ (雪なつり, yukimatsuri) in Sapporo auf Hokkaido zu erwaehnen. Dieses wurde am 7.2. offiziell eroeffnet, und als Sehenswuerdigkeiten erwarten den Touristen riesige Schneefiguren. Damit meine ich keine Schneemaenner, sondern bis zu 10m hohe und 20m lange, auesserst kunstvoll gestaltete Skulpturen. Dieses Jahr soll es knapp 300 Figuren auf einer 11.5km langen Strecke zu bewundern geben. Leider kann ich euch nicht viel mehr darueber berichten, da ich nicht persoenlich dort war. Aber Christian war dort, und der hat auch ein paar Fotos geschossen, die er mir demnaechst zuschicken wird. Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, dort hinzufliegen, aber bin dann aus einem ganz simplen Grund hier auf Kyushu geblieben: Dort oben ist es jetzt ganz einfach zu kalt! Ich habe ueberhaupt keine passenden Klamotten hier! Meine Winterkleider halten gerade mal bis knapp ueber 0 Grad warm, aber fuer Umgebungen von -10 Grad oder sogar kaelter – brrrrrr!
Das Highlight des 18.2.: Sporttag bei der YMCA. Alle derzeitigen Japanisch-Studenten sind mit ein paar Lehrern rueber zum grossen Bowling-Center und haben dann um die YMCA-Trophy gespielt. Insgesamt waren es 13 Teams a 4 Mann (bzw Frau), was aber nicht so gross auffiel, da das Center hier 38 Bahnen hat… auf einer Etage. Ausgestattet mit allem Pipapo, den man so braucht oder nicht braucht. Vor allem zu erwaehnen waeren die Videodisplays, die automatisch den Anlauf bzw. das Auftreffen der Kugel auf die Pins zeigen. (Da kann sich Kurt mal ne Scheibe abschneiden!) Zusammen mit Anechitto (Thailand), Tai Ka (China) und Rin Rin (China, unsere Frau im Bunde) war ich im ‚Chiimu‘ (‚Team‘) ‚E‘, und was glaubt ihr wohl, welches Team am Ende siegreich die Halle verliess? Beweisfotos sind vorhanden.
Zusammen mit meinem arabischen Freund Abu Nai habe ich letztes Wochenende eine kleine Rundfahrt unternommen. Besser gesagt, mit Abu Nai als Chauffeur. Und der ist mal wieder gefahren wie der letzte Henker. Typisch Abu Nai… Aber mit Abu Nai zusammen was zu unternehmen, war schon immer etwas gefaehrlich. Vielleicht werde ich in anderen Updates die eine oder andere ‚Abu Nai‘-Anekdote von mir geben.
Ende Februar kommen die naechsten grossen Tests: Dieses Mal geht es auch um knapp 500 Kanji, die sowohl gelesen, als auch geschrieben werden muessen. Doch das ist wirklich noch das kleinste Problem – die Grammatik zieht ganz schoen an! Nicht zu vergesen die Hoerverstehens-Uebungen. In Japan gibt es 4 staatlich gepruefte Tests, die man als Auslaender ablegen kann. Derzeit befinde ich mich zwar noch auf der zweituntersten Stufe, aber bevor ich im Juni nach Hause komme, sollte ich gerade so in der Lage sein, mit ein wenig Glueck den Level 2 bestehen zu koennen. Rein theoretisch natuerlich. Praktisch sieht das ein wenig anders aus, denn eine von meinen deutschen Freundinnen hier darf diesen Test im Dezember noch einmal versuchen, und ihr Japanisch ist wirklich um mehrere Klassen beser als meins! Doch wir lassen uns davon doch nicht ins Boxhorn jagen, oder?
Zwischendurch fand dann auch hier in Japan am 14. Februar der Valentinstag statt. Allerdings laeuft das hier ein wenig anders ab. Hier sind es die Frauen, die den Maennern Geschenke schenken muessen. Mal was Anderes, AU! Warum nicht auch so in Deutschland? Leider, leider hat das aber einen kleinen Haken: Am 14. Maerz ist quasi die Fortsetzung (Return of the Valentine´s Day) – und dann muessen die Maenner den Frauen, von denen sie Geschenke erhalten haben, ihrerseits den Frauen etwas schenken.
Eine neue Episode in der niemals enden wollenden Geschichte ‚Olli geht aus!‘ – Dieses Mal: Versteckte Kosten… Wir sind also zu fuenft ausgegangen, und unsere japanischen Begleitungen wollten uns mal eine dieser schwer zu findenden aber sehr coolen Bars zeigen. Die Bar war dann in der Tat schwer zu finden, denn an der Tuer war kein Schild zu finden, keine Musik zu joeren, und ueberhaupt ging es erstmal ueber eine recht korrekte Treppe – die der TUEV bei uns nie abgenommen haette, schon allein wegen der fehlenden Gelaender – in den zweiten Stock. (Das erinnert mich irgendwie an das Master´s Home in Muechen, wo man auch erst durch eine dunkle (!), stillgelegte Baeckereistube (!!) in den Keller (!!!) gehen musste, bevor man sich in einer Replik eines englischen Landhauses (!!!!) wiederfand.) OK, angekommen? Die Bar war schon allein deswegen cool, weil man fast nix sehen konnte, da die Beleuchtung eher eine Bedunkelung war. ABer egal. Nur, fragt man sich, wie soll man dann die Karte lesen? Kein Problem – fuer die wird eben eine kleine Taschenlampe beigelegt. Hat man sich dann fuer einen der zahlreichen Cocktails oder Whiskeys oder … entschieden, dann faellt einem vielleicht auf, dass in der Bar eine aeusserst entspannte Musik gespielt wird. Das Auge des Kenners faellt direkt auf die zwei SL1210-MK2 und den Stapel voller 12′ hinter der Theke – und Du weisst: Diese Bar ist sicher heute Nacht. Sie steht unter dem Schutz des heiligen Vinyl, dem Patron aller DJs. Nachdem dann zu aller Zufriedenheit die Drinks ankamen, stieg die Stimmung auch noch weiter. Und, Stefan (‚Ja, Herr Vorz`nder?‘) – da war was drin! Unter anderem Eisbrocken, die so manchem Schiff auf hoher See Probleme bereitet haetten (und man bedenke: 6/7 befinden sich unter Whiskey Wasser)… zu allem Coolness-Ueberfluss kam dann spaeter auch noch die Bedienung mit einem leckeren Obstteller und einem Teller leckerem Salat mit den in Japan so gerne gehoerten Worten ‚Saabisu desu!‘ (Salopp: ‚Das geht aufs Haus!‘). Klasse! Meine Stammkneipe! Vergesst alles Andere, this is the place to be! Aber, man hoert schon, wie sich das dicke Ende die Treppe hinaufquaelt – der Abschied war ein wenig saeuerlich.
„Table Charge“ – Bei uns unbekannt, kann teuer werden 😉Naemlich, als wir einen Extraposten von knapp 100 DM entdeckten… ‚Aeeeh, was ist denn das da? Wer hat denn das bestellt?‘ – ‚Das ist die Table Charge!‘ – ‚…? Gibts die immer am Wochenende?‘ – ‚Noe, die ist jeden Tag faellig. Arigatou gozai mashita!‘ OK, OK – ob ich jetzt einen Martini in der einen Bar fuer 3000 Yen trinke, oder hier 800 Yen versteckten Eintritt zahlen muss – letztendlich ist es hier eben nicht sooo billig… (bis auf – ich muss es immer wieder sagen – die Sushi)
Kein Strom, keine Heizung, meditieren ab 04:00 Uhr – Drei Gründe, warum ich kein Mönch werde!Am letzten Freitag war ich mit Ninon und Matthias indisch essen gewesen (bei irgendso einem Sultan), und sie hatten noch eine Freundin von ihnen dabei: Eine argentinische Nonne, die derzeit in einem (wie ich glaube) shintoistischen Tempel lebt und derzeit einen Japanischkurs bei der Y belegt hat. Ihr Tempel ist recht asketisch eingerichtet: Kein Strom, keine Heizung. Die erste Meditierphase beginnt morgens um 4 Uhr – schon 3 Gruende, warum das wohl bei mir auf wenig Gegenliebe stossen wuerde.
Ach, Leute: Nochmal danke fuer den Anruf von Rudis Party aus. Ich konnte zwar so gut wie nix verstehen, weil entweder die Hintergrundgeraeusche zu laut oder ihr zu besoffen wart, aber ruehrend fand ich es dennoch. Vor allem die lustige Idee, von einem Handy ohne Preselect nach Japan zu telefonieren duerfte der Telekom gut gefallen haben.
Fahrer: Rate mal, was gerade im Fernsehen laeuft … Ueberraschung! Ich bin nur der Koch. Der Abend ist gerettet!!!! Und danach gehe ich rueber ins Onsen, denn es regnet heute doch ein wenig zu stark, um mit dem Fahrrad in die Stadt zu fahren. Asserdem ist so ein Besuch im Onsen saugemuetlich, wenn es regnet. Bis die Tage also!
Olli, 19. Februar 00